Illustration: Zelte in verschiedenen Farben, dazwischen Menschen, die sich zuwinken.

Kita-Praxis Sozialraum­orientierung

Die Kita ist ein wichtiger Teil der kindlichen und familiären Lebenswelt. Dennoch ist sie nicht der einzige Ort, an dem die Kinder Teilhabe, Bildung und Unterstützung erfahren: Im Sozialraum der Kita setzen sich viele unterschiedliche Einrichtungen und Akteur:innen für das Wohl der Familien ein oder prägen deren Alltagsleben. Das können soziale, medizinische oder kulturelle Einrichtungen, Sportvereine, Gewerke, aber auch Läden und Spielplätze in der Nachbarschaft sein.

Erkennt eine Kita diese Menschen und Orte als Ressource und bezieht das Umfeld in ihre Arbeit ein, entsteht ein vielseitiges und unterstützendes Netzwerk zum Wohl der Kinder. Um dafür geeignete Partner:innen zu finden und passgenaue Angebote zu entwickeln, involviert die Kita-Leitung sowohl das Team als auch die Kinder und Eltern. Ziehen alle Akteur:innen im Sozialraum an einem Strang, bereichert das nicht nur den Alltag in der Einrichtung. Denn eine Kita kann ihre Strahlkraft und ihre Möglichkeiten, Familien niedrigschwellig zu erreichen, auch dafür nutzen, um in das soziale Umfeld hineinzuwirken und dieses positiv mitzugestalten.

Informationen zu diesem Thema erhalten Sie auch in unserem Starke Kita MOOC im Kapitel Sozialraumorientierung.

Sozialraumanalyse

Wenn eine Kita ein pädagogisch sinnvolles und unterstützendes Netzwerk knüpfen möchte, ist wichtig, den Sozialraum mitsamt seinen Orten und den Menschen, die dort leben und wirken, genau zu kennen. Hier sollten Kita-Leitung und Fachkräfte sich nicht nur auf die eigene Wahrnehmung beschränken. Es gilt, die Lebensbedingungen sowie die Gewohnheiten der Kinder und Familien in den Blick zu nehmen: Welche Läden, religiöse oder kulturelle Einrichtungen besuchen sie gerne? Gibt es Berufszweige oder Umstände, die das Leben vieler Familien im Stadtviertel oder im Dorf prägen? Brauchen sie bestimmte Unterstützungsangebote?

Auch können Fachkräfte und Kinder gemeinsam unterschiedliche Lern- und Begegnungsorte im räumlichen Umfeld der Kita entdecken – ob in der Natur oder in der Stadt. So wird der benachbarte Park zum festen Ausflugsziel oder der Spaziergang um den Block zum wiederkehrenden Ritual. Sicherlich beteiligen sich die Kinder auch gerne bei Müllsammelaktionen auf dem Spielplatz oder dem Grünstreifen gegenüber. Gibt es vielleicht ein leerstehendes Schaufenster im Ort, das die Kinder gestalten und „beleben“ können? Es gibt viele Möglichkeiten, das direkte Umfeld der Kita und der Familien wertzuschätzen und Verantwortung dafür zu übernehmen.

Die Leitungsfachkraft und das Team fragen die Kinder und die Familien gezielt nach ihren Bedürfnissen und Interessen, um den Sozialraum zu erschließen, neue Partnerschaften zu knüpfen oder bestehende zu vertiefen. Die zusätzlichen Angebote können sehr vielfältig sein und entweder in der Einrichtung oder auch außer Haus stattfinden. Es kommt darauf an, all das, was das Umfeld zu bieten hat – vom benachbarten Park über den Bäckerladen gegenüber bis hin zum Familienzentrum im Ort – als Ressource zu erkennen. Wenn sich eine Kita für unterschiedliche und mitunter auch ungewöhnliche Orte und Akteur:innen öffnet, bereichert dies den Alltag der Kinder und der Fachkräfte ungemein.

Methode: Netzwerkkarte für Kooperationen im Sozialraum

Gute Kooperationen und Partnerschaften im Sozialraum entstehen nicht von selbst. Vielmehr sind sie das Ergebnis der gezielten Überlegung, welche Orte und Akteur:innen im Umfeld der Kita zur Förderung und Unterstützung der Kinder und Familien beitragen könnten sowie der anschließenden Aktivierung und Pflege dieser Partnerschaften. Die Netzwerkkarte hilft Ihnen bei der Identifikation möglicher Partner:innen.

Material:

ggf. mehrfach ausgedruckte Netzwerk-Vorlage, Stifte

Zeit:

ca. 30 bis 60 Minuten.

Ziel:

Mithilfe der Netzwerkkarte kann die Kita-Leitung gemeinsam mit dem Team wichtige Akteur:innen und Expert:innen im Sozialraum identifizieren, erste Ideen notieren und entsprechende Verantwortlichkeiten sowie zeitliche Ziele festhalten.

Quelle der Netzwerkkarte: „Broschüre Wege zur WillkommensKITA. Arbeitsmaterialien für die Kita- und Hort-Praxis“, S.44. Herausgeberin: Deutsche Kinder- und Jugendstiftung (DKJS), 2021.

Hier geht es zum Download-PDF der Methode „Netzwerkkarte für Kooperationen im Sozialraum“.

Kooperationen

Ein gutes Netzwerk entsteht nicht von allein. Es hängt sehr von der Initiative und manchmal auch vom Durchhaltevermögen der Kita-Leitung und anderen engagierten Personen ab, ob Initiativen oder Partnerschaften im Sozialraum verbindlich und von Dauer sind. Daher ist es wichtig, Ideen für Kooperationen nicht nur zu sammeln und „für irgendwann“ einzuplanen, sondern auch konkrete zeitliche Vereinbarungen zu treffen und personelle Verantwortlichkeiten festzulegen. Sobald eine neue Aktion auf positive Resonanz bei den Kindern und Familien stößt, steht einer langfristigen Kooperation nichts mehr im Weg.

Von der Kita-Leitung und dem Personal über die Eltern bis hin zu Ehrenamtlichen können unterschiedliche Personen die Verantwortung für ein Projekt übernehmen und dies vorantreiben. Die Fäden laufen bei der Kita-Leitung oder dem bzw. der Kooperationsbeauftragten zusammen. Um alle Partnerschaften zu koordinieren, wichtige Kontakte zu pflegen und das Engagement der Verantwortlichen wertzuschätzen, kann die Leitung wiederkehrende Netzwerktreffen initiieren. Hier bietet es sich an, neben engagierten Kolleg:innen und Eltern auch wichtige externe Akteur:innen mit ins Boot zu holen. Wenn alle, die sich im Kita-Sozialraum engagieren, das Angebot der anderen kennen, sich austauschen und untereinander vernetzen, entstehen neue Synergien zum Wohl der Kinder und Familien.

Methode: Zeitstrom – Kooperationen langfristig planen und pflegen

Für dauerhafte Kooperationen im Sozialraum der Kita ist es wichtig, konkrete zeitliche Vereinbarungen zu treffen und Verantwortlichkeiten im Team festzulegen. Mit folgender Methode können konkrete Pläne und Aktionen in bestimmte Entwicklungsphasen und wichtige “To-dos” unterteilt und deren Umsetzung überprüft werden.

Material:

Stifte, Papierrolle (Tapete, Packpapier)

Zeit:

zu Beginn ca. 20 Minuten am Stück, danach individuell kürzer

Ziel:

Der Zeitstrom ist eine fortlaufende Methode, mit welcher immer wieder gearbeitet werden kann. Ist das Basisplakat (hier: mit wichtigen, teils auch parallel verlaufenden Aktivitäten, Meilensteinen und Verantwortlichkeiten für ein bestimmtes Kooperationsprojekt) erst einmal angelegt, können alle daran weiterarbeiten. Einzelne Maßnahmen im Zusammenhang mit diesem Projekt werden dokumentiert und visuell festgehalten, so dass auch kleine Etappen nicht in Vergessenheit geraten. Neben dieser Erinnerungsfunktion macht der Zeitstrahl auch Veränderungen sowie Fortschritte sichtbar und dient damit auch der Motivation aller Beteiligten.

Durchführung:

Auf einer langen Papierrolle, beispielsweise Packpapier oder Tapetenrolle, werden die einzelnen Entwicklungsetappen, geplante Aktivitäten, wichtige Termine, Errungenschaften etc. festgehalten. Alle Beteiligten können den Zeitstrom jederzeit beschriften und stetig erweitern.

Quelle: „Methodensammlung: Lernorte der Demokratie im Vor- und Grundschulalter“ der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung (DKJS), Regionalstelle Sachsen, Dresden, Kapitel 5.1, Seite 57 des PDFs.

Hier geht es zum Download-PDF der Methode „Zeitstrom“.

Liste: Kooperationen im Kita-Sozialraum

Zusätzliche Angebote, die sich an den Interessen der Kinder und Familien orientieren, sind eine Bereicherung für jede Kita und können sehr vielfältig sein. Wenn Sie Ihren Blick in das Umfeld der Kita richten und offen bleiben für Menschen und Einrichtungen aller Art, ergeben sich viele neue Gelegenheiten für Erkundungen, Aktionen und langfristige Kooperationen. Im Folgenden finden Interessierte eine Liste mit Ideen für potenzielle Kooperationen im Kita-Sozialraum.

  • Einzelhandel: Bäcker, Laden, Schreibwaren usw. (Einkaufen gehen, lernen, wie Nahrungsmittel / Gegenstände hergestellt werden, Berufe kennenlernen)
  • Einkaufszentren (als Orte, um z. B. etwas auszustellen)
  • Firmen, Kanzleien (Berufe kennenlernen, mögliche Sponsoren)
  • Arztpraxen (Unterstützung der Familien, Ängste abbauen in Projekten bzw. Sprechstunden in der Kita)
  • Grundschule, Hort (Übergänge gestalten, gemeinsame Nutzung Turnhalle, Feste feiern)
  • Bauernhof, Försterei, Biolog:innen (Nachhaltigkeitsthemen, Berufe kennenlernen)
  • Polizei (Verkehrserziehung, Sicherheits-/Selbstbestimmungsprojekte, Absperrung z. B. bei Festen oder Laternenumzug, Berufe kennenlernen)
  • Feuerwehr (Brandschutzübung, Verhalten mit Feuer / Wasser, Berufe kennenlernen)
  • Künstler:innen, Ateliers und Galerien (kulturelle Bildung, gemeinsame Mal-/Kunstprojekte)
  • Museen, Theater, Kinos (Kulturelle Bildung, kreative Projekte)
  • Musikschulen (musikalische Bildung, Musikprojekte)
  • Büchereien / Bibliotheken (Lese- und Sprachförderung)
  • Volkshochschulen (VHS) (zahlreiche Angebote für Eltern und Familien)
  • Sportvereine (Angebote in der Kita oder in benachbarten Turnhallen, Aktionen zur Bewegungsförderung)
  • Nachbarschaftshilfe, Hilfsorganisationen, z. B: Kinderhilfswerk, Caritas (gemeinsame Projekte, BNE Themen, Patenschaften, Spendenprojekte)

Sozialraum im Team denken

Die Leitungsfachkraft aktiviert nicht nur offizielle Kanäle oder die eigenen Kontakte für die Netzwerkarbeit. Sie ermutigt die Teammitglieder, sich ebenso nach außen zu öffnen und Ideen für Ausflüge oder Kooperationen im Kita-Umfeld zu entwickeln. Manchmal erweisen sich auch ausgefallene Hobbies oder Kontakte zu Menschen mit interessanten Berufen als geeignete Türöffner in den Sozialraum.

Familien und Sozialraum

Eltern aktivieren

Neben den Kindern sind die Eltern und Familien nicht nur gute Ansprechpartner:innen, um wichtige Orte und Netzwerkpartner:innen aus deren Lebensraum zu identifizieren. Mit ihren unterschiedlichen Berufen, Interessen und Kontakten können die Eltern oder andere Angehörige der Kinder die Kita aktiv dabei unterstützen, Brücken zum lokalen Umfeld zu bauen. Vielleicht ist ein Vater in einem benachbarten Altenheim tätig und kann Singnachmittage ins Leben rufen? Oder eine Mutter stellt über Beziehungen den Kontakt zu einem Wohlfahrtsverband her, der Familien mit Fluchthintergrund unterstützt? Viele Eltern oder auch andere Angehörige der Kinder übernehmen gerne die Verantwortung für eine Partnerschaft oder Aktionen im Sozialraum.

Die Kita als niedrigschwellige Anlaufstelle im Sozialraum

Viele öffentliche Bildungs-, Beratungs- und Unterstützungsangebote im Umfeld einer Kita sind nicht allen Kindern und Familien gleich zugänglich. Sei es, weil die Eltern wenig Zeit haben, nicht mobil sind oder zurückhaltend gegenüber behördlichen oder medizinischen Angeboten. Hier kann die Kita einen wichtigen Beitrag zur Chancengerechtigkeit und zur Verbesserung der Lebensqualität leisten und eine Vermittlerrolle übernehmen: Etwa indem sie Räumlichkeiten zur Verfügung stellt oder Projekte initiiert, um externe Unterstützungsangebote in die Kita zu tragen. Oder für Familien als Türöffner in den Sozialraum fungiert.

Deshalb zeigen sich die Kita-Leitung das Team offen für Unterstützungsformate und Kooperationen aller Art: Beispielsweise könnten Kinder- oder Zahnärzte die Kita besuchen, um den Jüngsten die Angst vor einem Arztbesuch zu nehmen. Oder Sprechstunden des Jugendamtes werden kurzerhand in die Räumlichkeiten der Kita verlegt. Ehrenamtliche könnten dort kostenfreie Sprachkurse oder Nähtreffs für Eltern organisieren oder Vereinsvertretende regelmäßig Musik- oder Sportstunden in der Betreuungszeit abhalten, um Kinder für Freizeitangebote zu begeistern und Teilhabe zu ermöglichen.

Kindertageseinrichtungen sind ideale Orte für solche Aktionen. Denn hier erreichen gemeinnützige, soziale oder medizinische Akteur:innen ihre Zielgruppe am besten. Was noch viel wichtiger ist: Sie adressieren die Kinder und Familien in ihrem vertrauten Umfeld; dort, wo diese ohnehin fast täglich sind. Das Kita-Personal kennt die Interessen und Bedarfe der Kinder und Eltern, genießt deren Vertrauen und kann bereits etablierte, niedrigschwellige Ansprachemöglichkeiten nutzen, um gemeinsam mit gemeinnützigen Akteur:innen unbürokratische Bildungs- und Unterstützungsangebote zu machen. So entwickeln sich Kitas Schritt für Schritt zu einem wichtigen Dreh- und Angelpunkt im Sozialraum und verbessern die Lebensqualität der Familien vor Ort.

Übergang Kita-Grundschule

Bildungs- und Unterstützungsangebote verknüpfen und am Kind ausrichten

Mit unterschiedlichen Partner:innen im Sozialraum kann eine Kita ihr Spiel-, Bildungs- und Unterstützungsangebot für die Kinder, aber auch deren Familien gewinnbringend erweitern. Ziel ist es, die Interessen, die Teilhabe und die Gesundheit der Kinder zu fördern – von Beginn an bis weit über den Schuleintritt hinaus.

Um die für Kinder zentralen Übergänge in der frühen Bildung gut zu gestalten, legt die Kita-Leitung besonderes Augenmerk auf eine kontinuierliche Zusammenarbeit mit Tagespflegeeinrichtungen sowie mit Grundschulen. Hier vermitteln gegenseitige Besuche sowie gemeinsame Aktionen den Kindern mehr Sicherheit. Für ein gutes Aufwachsen kann die Kita ihr Netzwerk aber noch viel weiter ins Umfeld hinein spannen: Zu öffentlichen und privaten Akteuren der frühen Bildung, zu Gesundheits- und Sozialeinrichtungen, zu Familienberatungsstellen, zu Vereinen oder privaten Anbietern – die Bandbreite ist groß.

Gemeinsam identifizieren die Leitungsfachkraft und das Team all jene Akteur:innen im Umfeld, von deren Unterstützung die Kinder und Familien profitieren könnten. Zudem überlegen sie, wie eine mögliche Zusammenarbeit umsetzbar wäre. Eine Kooperation beinhaltet dabei nicht zwingendermaßen gemeinsame Aktivitäten oder regelmäßige Angebote. Manchmal genügt auch die Pflege eines langjährigen Kontakts oder ein „guter Draht“ zu zentralen Akteur:innen im Sozialraum, um Kinder oder Eltern bei Unterstützungsbedarf vertrauensvoll weitervermitteln zu können.

Weitere Informationen zum Thema Kita-Grundschule erhalten Sie auch in unserem Starke Kita MOOC im Kapitel Übergang Kita-Grundschule.

Quellen

Die Texte des Kapitels „Sozialraumorientierung“ basieren hauptsächlich auf dem Wissen der im Impressum unter „Text und Redaktion Toolbox“ genannten Personen. Speziell für dieses Kapitel wurde ergänzend folgende zusätzliche Quelle als Inspiration herangezogen:

Deutscher Kita-Preis: Ein Inspirationsbuch„, herausgegeben durch das Programm Deutscher Kita-Preis der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung (DKJS) 2020, Seiten 69-89.

Die Quellen der einzelnen Tools sind in den jeweiligen gelben Textblöcken genannt und verlinkt.